Kollektive Umgänge mit zwischenmenschlicher Gewalt abseits von Staat und Polizei

In diesem Seminar wollen wir gemeinsam erarbeiten, was wir konkret tun können, wenn in unserem Umfeld Gewalt und Diskriminierung benannt wird. Wie können wir in diesen schwierigen – meist in Beziehungen verstrickten – Situationen handlungsfähig bleiben oder werden? Wie können wir einander schützen? Wo finden wir Ressourcen, wenn wir Gewalt erleben und wie können wir Verantwortung übernehmen, wenn wir Gewalt ausgeübt haben?

Status:

Verfügbar

Bildungsurlaub:

Nein

Zeitraum:

08. – 10.11.2024

Zeitplan:

  • Anmeldeschluss: 16.10.2024
  • Freitag, 08.11.2024: Anreise um 16:00 Uhr, gemeinsamer Start um 17:00 Uhr
  • Sonntag, 10.11.2024: Abreise um 14:00 Uhr

Ort:

lila_bunt, Prälat-Franken-Straße 22, 53909 Zülpich

Zielgruppe:

all gender

Personenanzahl:

Maximal 15 Personen

Seminarnummer:

S-2024-25

Verfügbarkeit Betten:

2 Plätze frei, Doppel- oder Einzelzimmer

Preis:

  • Ab 200 €
  • Einzelzimmer: 260 €
  • Doppelzimmer: 200 €

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Inhalte des Seminars

In diesem Seminar wollen wir gemeinsam erarbeiten, was wir konkret tun können, wenn in unserem Umfeld Gewalt und Diskriminierung benannt wird. Wie können wir in diesen schwierigen – meist in Beziehungen verstrickten – Situationen handlungsfähig bleiben oder werden? Wie können wir einander schützen? Wo finden wir Ressourcen, wenn wir Gewalt erleben und wie können wir Verantwortung übernehmen, wenn wir Gewalt ausgeübt haben?

Gemeinschaftliche Umgänge mit zwischenmenschlicher Gewalt können ebenso vielfältig sein wie die Menschen und Gruppen, die sie aushandeln und umsetzen. In den 2000ern haben Schwarze und indigene Feminist*innen und queere Feminist*innen of Color in Nordamerika analysiert, inwiefern zwischenmenschliche Gewalt bzw. Gewalt in nahen Beziehungen aus struktureller Gewalt folgt. Sie alle einte die Erfahrung, dass die Polizei und der Staat keine Hilfe sind. Im Gegensatz bedeuten sie eine konkrete Gefahr für ihre Familien, Freund*innenkreise und Nachbar*innenschaften, da sie selbst Gewalt ausüben, anstatt sie zu beenden. Deswegen entwickelten sie eine Praxis kollektiver Verantwortungsübernahme abseits von Staat und Polizei. Für diese brachten sie das Wissen aus der Schwarzen Freiheitsbewegung (Abolitionismus) und indigene Menschenbilder, Gerechtigkeitskonzepte und -praxen mit ihren Erklärungen und Beobachtungen rund um weltweite Ausbeutungsverhältnisse (Kolonialismus, Kapitalismus und Patriarchat) zusammen. Während die Freiheitsbewegungen Schwarzer Menschen Polizei, Knäste und Justiz als grundlegend für die weltweiten Ausbeutungsverhältnisse herausstellen und "Abolish the Police!" fordern, machen indigene Gerechtigkeitspraxen deutlich, dass Strafe als Konzept nicht nur nicht selbstverständlich, sondern auch nicht hilfreich ist und ein Menschenbild, das den Menschen als Zentrum allen Lebens und einzeln für sich stehend begreift (Individualismus), vor dem Kolonialismus in den meisten Teilen der Welt gar nicht existierte. Dieses Denken verbreitete sich erst so stark mit den europäischen und christlichen Besetzer*innen (Kolonisator*innen). Versklavte und kolonialisierte Menschen mussten deshalb und müssen auch bis heute um ihre Lebensweisen, Geschichten und Überlieferungen, um ihr Wissen kämpfen. Sich auf dieses Wissen, diese Lebensweisen, Überlieferungen und Geschichten zurück beziehend, geht es darum, innerhalb der Praxen der Freiheitsbewegungen, die bis heute von Ausbeutung betroffen sind, nicht nur Polizei und Justiz zu kritisieren und Besitz und Teilhabe solidarisch zu verteilen, sondern eben auch vertrauensvolle und schützende Gemeinschaften aufzubauen und Alternativen zu finden.

Ein Gerechtigkeitskonzept, das sich aus all dem ergibt, ist Transformative Gerechtigkeit. Nach INCITE! steht es auf vier Pfeilern. Der Transformation der politischen Zustände, der Arbeit mit Gewalt ausübenden Personen, der Unterstützung von betroffenen Personen und der Etablierung von Werten und Praxen hin zu weniger Gewalt im eigenen Umfeld.

Im Seminar werden wir einerseits Kritik an bestehenden Strukturen üben und gleichermaßen nach Visionen suchen – hin zu einer anderen Welt mit anderen Möglichkeiten der gegenseitigen Unterstützung und Fürsorge. Auf dieser Basis werden wir Handlungsmöglichkeiten gegen Gewalt und Machthierarchien in unseren jeweiligen Lebensrealitäten entwickeln. Wir werden uns anschauen, warum es dafür wichtig ist zu lernen, über Gewalt zu sprechen und wie wir das gut hinbekommen können. Außerdem werden wir uns bewusst machen, was betroffene und Gewalt ausübende Personen brauchen, um mit der Gewalt umzugehen und wie wir in der Unterstützung auf unsere eigenen Grenzen achten können. Und was braucht ihr eigentlich, wenn ihr Gewalt erlebt habt und wer aus eurem Umfeld würde euch unterstützen, wenn ihr ausgeübte Gewalt aufarbeiten wollt? Wo um uns herum sind bereits Ressourcen und Strukturen, die wir nutzen können? Und was haben unsere eigenen Geschichten und damit verknüpfte eigene Positionierungen damit zu tun, wie wir auf ausgeübte Gewalt reagieren?

Wo könnt ihr konkret ansetzen, um einen kollektiven Umgang mit Gewalt in euren Umfeldern anzustoßen? Ein Stück kollektive Verantwortungsübernahme findet sich an allen Orten, wo Menschen die Entscheidung treffen, füreinander einzustehen, weil sie beginnen zu verstehen und zu fühlen, dass die Struggle um sie herum, etwas mit ihnen zu tun haben und sie berühren. Bei diesem Verständnis füreinander werden wir versuchen im Workshop anzusetzen.

Referent*in

Naas Pioch (keine Pronomen): Ich studiere Gender Studies und bin im dritten Ausbildungsjahr zum personzentrierten Berater. Gleichzeitig begleite und berate ich seit drei Jahren Initiativen, politische Gruppen und Einzelpersonen bei kollektiven Umgängen mit zwischenmenschlicher Gewalt und Diskriminierung abseits von Polizei und Justiz. Und dann unterstütze ich daneben Einzelpersonen und Gruppen, die sich gegen rechte Argumentationen positionieren wollen. Diskriminierende und gewaltvolle Aussagen, Haltungen und Handlungen in Freund*innenkreis, Familie oder Organisation zu benennen, ist nicht leicht und (gemeinsam) Strategien, Ressourcen und eigene Utopien zu erarbeiten, kann helfen. Beide Felder beinhalten für mich zu lernen, über Gewalt zu sprechen. Dafür braucht es ein Bewusstsein dafür, dass jede Person Gewalt ausüben und erfahren kann ohne die gesellschaftlichen Herrschafts- und globalen Unterdrückungs- und Ausbeutungsverhältnisse außer Acht zu lassen. Ich setze mich also für einen Umgang mit Gewalt ein, der sowohl nicht stigmatisierend als auch parteilich und solidarisch mit betroffenen Personen ist.

Ich verstehe mich als politisch aktive Person, was auch bedeutet, gemeinsam mit anderen gesellschaftliche Positionen sichtbar zu machen und zu reflektieren. Als weiße Person will ich sorgsam, vorsichtig und verantwortungsvoll mit dem Wissen, den Konzepten, den Kämpfen und der Arbeit von BIPoC Communities umgehen. Als queere, endo-geschlechtliche und nichtbinär positionierte Person mit christlicher Sozialisierung bringe ich eine spezifische Perspektive und Erfahrungswelt mit, die mich in Widersprüche verstrickt, formt, manchmal von anderen Menschen trennt, manchmal mit ihnen verbindet, die mich herausfordert und sich von mir wünscht, mich zu verändern.

Gefördert durch:

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